Fritz besucht mich in Dresden

Er hat gerade seine große Liebe verloren, mit seiner Familie gebrochen und in Dresden Lord Winter, das Oberhaupt unserer Gemeinschaft und mich kennen gelernt. In diesem Kapitel demonstriert er sein Talent, in andere Rollen, bevorzugt weibliche zu schlüpfen.

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Lord Winter: "Fritz, ich bitte dich um einen Gefallen."
"Mhmm?"
"Kauf dir morgen ein paar schicke Sachen, wollen wir morgen Nacht ausgehen? Ich würde gerne morgen mit Fritzie an meiner Seite einen Ausflug machen."
Fritz errötete. "Oh ... ich weiß nicht recht. Ich bin im Moment nicht so gut drauf."
"Bitte, tu es für mich. Ich möchte auch diese Seite von dir kennen lernen."
"Ach nein, außerdem sind die Haare viel zu kurz und lange nicht geschnitten."
"Im Hotel hier ist ein Friseur, ich bin mir sicher, du findest eine Idee. Frauen tragen heute gern die Haare kürzer. Bitte, Fritz. Geld lege ich dir hin, spielt keine Rolle. Geh jetzt nach nebenan, leg dich ins Bett, du bist müde, der Tag war anstrengend genug. Ordne deine Gefühle, komme ins Reine mit dir, schlaf dich aus. Ich würde gerne mit Vincent noch eine Weile reden."
Fritz erhob sich und nickte beiden kurz zu: "Mylord, Vincent! Ich ziehe mich zurück. Danke."

Lange lag er noch wach. Dann drang in sein Bewusstsein langsam der Gedanke, dass er hier gerade mit den Ratsmitgliedern gesprochen hatte und sie ihn anerkannt hatten. In solchen Kreisen hatte seine Familie nie verkehrt. Jetzt sollte er mit dem Hohen Lord zusammen ausgehen, in seiner Mädchenmaskerade. Sie wollten sich um ihn kümmern! Unglaublich. Sie waren so offen, so natürlich im Umgang mit ihm, schienen ihn zu verstehen. Sie unterstützten ihn dabei, seiner Familie, die hier überhaupt nicht den Ruf hatte, den sie gerne repräsentierten, den Rücken zu kehren, verstanden das! War das ein möglicher Weg? Aber er würde ihn allein gehen müssen, ganz allein, ohne seine große Liebe.
"Nein, mein Schatz" sagte er leise. "Ihr beide seid immer in mir. Soll ich es wirklich versuchen? Wenigstens eine Weile?"

Fritz war am Nachmittag unterwegs gewesen, hatte der Lord während seines Tagschlafes registriert, jetzt steckte er schon eine Ewigkeit im Bad, leise Flüche waren mitunter zu vernehmen. Vincent war inzwischen gekommen, er wollte sich den Ausflug nicht entgehen lassen. Dann ging die Badtür auf und heraus kam, verschämt grinsend ... Fritzie.
"Großartig!" sagte der Lord und klatschte in die Hände.
"Das ist ja hammerhart!" fügte Vincent hinzu. Fritz wandelte mit leicht schwingenden Hüften durch die Suite. Er hatte das schwarze Mieder an, darunter eine weit ausgeschnittene weiße Bluse, nur ganz sachte waren Brüste angedeutet, eine knapp sitzende Hüfthose und hochhackige rote Pumps. Die Haare waren im Nacken gekürzt, er hatte sie nach einer Seite gekämmt, fesch hingen sie links über das Gesicht, die rechte Seite war mit einer Spange nach hinten gesteckt. Die Schminke war atemberaubend, die Augen geschickt betont, heller Lidschatten, die schmalen Wangen blass, der Mund dunkel sinnlich nachgezogen. Gerade öffnete er ihn leicht und fuhr sich mit der Zunge über seine leicht ausgefahrenen Eckzähne, dass es Vincent eine Gänsehaut bereitete.
"Das ist unglaublich!" flüsterte Vincent. "Du hast ein riesiges Talent! Willst du nicht Schauspieler werden?"
Fritz schüttelte den Kopf. "Nein, bloß nicht öffentlich auffallen. Ich will nichts mehr mit meinen Leuten zu tun haben. Ich werde auch nicht mehr die Fritzie machen. Nur noch heute, einmal für euch. Das muss aufhören. Irgendwie muss ich versuchen, einmal was ganz normal zu machen. Wenn ich schon hier neu anfange, es wenigstens probiere."
Der Lord legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Versuche es, Fritz. Und jetzt ziehen wir los, darf ich bitten, Fritzie!"
Er reichte ihm den Arm, Fritz hakte sich unter. "Gut, lasst uns gehen. Hey, das ist total irre, was wir hier machen!"
Lord Winter strahlte und nickte. "Heute bitte Georg für dich, ja? Wir wollen ganz anonym sein, privat."

Sie schlenderten durch die Dresdner Altstadt, Fritz blickte sich interessiert um. "Hier ist alles so anders als bei uns in Speyer. Großartig ist das! Eure Sachsenkönige haben hier residiert, stimmt´s? Zeigst du mir die Frauenkirche? Ich habe davon gehört, dass sie erst jetzt wieder aufgebaut worden ist. War hier wirklich alles zerbombt? Unvorstellbar."
"Hoppla!" Der Lord fing Fritz auf, der in den hohen Schuhen über eine Stufe im Pflaster gestolpert war.
"Entschuldigung. Ist Schwerstarbeit in den Dingern. Neu reiben sie immer entsetzlich."
Alle drei lachten schallend, als sich einige Passanten zu ihnen umdrehten, zwinkerte Fritz ihnen aufreizend zu. Das Gelächter brach nicht ab.
Vincent sagte dann: "Fritz, ich kann dir später in Ruhe alles hier zeigen, wenn es dich interessiert. Heute ist Spaß angesagt, nicht Kulturgeschichte."
"Ja, klar. Gibt es hier eine Bibliothek oder ein Stadtarchiv oder so was? Ich schmökere gerne in alten Dokumenten. Ah, die Elbe! Ich mag Städte, die an einem Fluss liegen. Das hat so etwas Lebendiges an sich. Ich habe in Speyer gerne am Rhein gesehen, nachts und einfach zugeschaut, wie das Wasser vorbeifließt. Oh, guck mal da, richtige Raddampfer! Wollen wir uns die mal von Nahem ansehen?"
Vincent führte sie von der Brühlschen Terrasse herab zum Landepier. "Viel los heute Abend, die beiden Raddampfer stehen unter Dampf. Sieh mal, eine Dixie-Band ist auf dem Kahn! Soll ich versuchen, für uns noch Tickets zu bekommen?"
Der Lord nickte. "Ein guter Vorschlag, was Fritz? Wollen wir eine nächtliche Dampferfahrt machen?"
"Oh ja, gerne!"
Vincent verschwand, Fritz und der Lord schlenderten am Pier entlang, Fritz stolperte noch einmal. "Sehr gewöhnungsbedürftig, das Katzenkopfpflaster!"
"Du machst das perfekt."
"Es ist schön hier, ich finde das toll, das die Leute an einem so lauen Abend an den Fluss gehen, sich hinsetzen, schwatzen, entspannen. So war es am Rhein auch. Im Sommer immer ein guter Ort für einen Imbiss. Was hat so ein Fluss nur magisches an sich, dass man stundenlang am Ufer sitzt und zuguckt?"
"Du bist ein rechter Romantiker, Fritz" antwortete der Lord schmunzelnd. "Das gefällt mir an dir."
"Na, meine Leute haben immer gesagt, ich bin ein Spinner, wenn ich stundenlang allein oben auf der Burgruine gesessen habe. Dort war es auch so ruhig, auf eine geheimnisvolle Art, weißt du? Wenn man dann versucht hat, sich vorzustellen, wie sie damals in den alten Gemäuern gelebt haben, wo sie gesessen haben, geschlafen, sich geliebt haben. Das mochte ich."
Leise lächelnd antwortete der Lord: "Große Gefühle. Ich kenne eure Burg, ich war da, kurz nach der Fertigstellung eures neuen Domizils. Ich bin auch in die Ruine hinaufgestiegen. Sie steht also noch?"
"Ja, es wurden mehrmals Ausbesserungs- und Sicherungsarbeiten ausgeführt. Sie soll erhalten bleiben. Hey, das war 1927, mein Ururgroßvater, dem ich den bescheuerten Namen verdanke, war damals der Familienvorstand. Du hast ihn gekannt? Wahnsinn. Wie war er?"
"Nicht so laut, Fritzie. Er war - einer vom Dunkelberg. Du siehst ihm kein bisschen ähnlich, er war ein Bär von einem Mann. Du bist klein und zierlich."
"Ja, das wundert alle. Meine Brüder sind auch beide größer, kräftiger und werden langsam fett."
Der Lord lachte laut auf. "Ich wollte deinen Ahnherrn nicht kompromittieren, aber dieses Erbe haben deine Brüder offensichtlich von ihm. Er war sehr beleibt, als ich ihn kennen lernte."
"Da haben sie aber auf den Gemälden getrickst. Auf Fotos war immer nur sein Gesicht zu sehen. Ich hab oft auf dem Dachboden gestöbert, in dem alten Familienkram. Interessante Sachen liegen dort. Vincent, du hast Karten!"
"Kommt, wir müssen uns beeilen, es geht gleich los. Wir werden bis in die Sächsische Schweiz, bis Stadt Wehlen fahren und von da zurück. Hoffentlich hält das Wetter, da hinten türmen sich schon kräftige Gewitterwolken."
"Es ist ja auch furchtbar schwül heute, ich hätte doch einen Rock kaufen sollen. Das ist übrigens im Sommer sehr angenehm, im leichten Kleidchen herumzulaufen, sage ich euch. Es hat auch Vorteile, wenn auch BHs immer drücken!"
Kichernd betraten sie den Kahn, Fritz gab sich Mühe, nicht mit den Absätzen im Lattenrost des Landungssteges stecken zu bleiben.
Dann genossen sie einfach nur die Fahrt. Vincent erklärte die Gebäude rechts und links des Flusses und erzählte einiges zur jüngeren Geschichte. Der Himmel zog sich inzwischen immer mehr zu. Vincent erzählte viele interessante Dinge über die Brücken, die sie durchqueren, der Dampfer klappte einige Male seinen Schornstein um, damit er nicht kollidierte. Eine Weile beobachtete Fritz fasziniert die freiliegenden Zylinder des Dampfers, sie waren auf Hochglanz poliert und verrichteten stolz ihren Dienst, seit 1879, wie zu lesen war. Die ersten Blitze zuckten über den Himmel, hinter dem links liegenden Fernsehturm stand eine schwarze Wolkenwand. Davon ließen sich aber die unzähligen Gruppen von Menschen am Ufer nicht stören, sie hatten Grills mit, Bierkästen, saßen auf Decken und winkten dem vorbeifahrenden Dampfer immer wieder zu.
"Deine Stadt gefällt mir, Vincent" sagte Fritz. "Es wirkt locker und cool. Die Sachsen sollen ja sowieso ein recht gemütliches Völkchen sein, sagt man so bei uns. Und sie reden lustig."
"Ach komm, euer Dialekt in der Pfalz erheitert uns ebenso. Wobei du ja fast hochdeutsch sprichst."
"Etwas anders wurde nicht toleriert. Du redest auch kaum sächsisch, finde ich."
"Wie lange wird es dauern, bis du dir das stadttypische "nu" angeeignet hast? Es hat mich immer sehr erheitert, wenn man ausländische Studenten getroffen hat, kaum ein Wort Deutsch, aber wenn sie eine Frage bejahten - nu!"
Immer mehr Blitze zuckten vor ihnen nieder, dann bemerkten sie, dass der Kahn wendete. Der Kapitän meldete sich und erklärte, dass sie zurückfahren würden, damit sie nicht ins Unwetter kämen. Stattdessen versprach er, durch Dresden hindurchzufahren und so dem Gewitter zu entfliehen.
"Na, das ist doch ein Glück! So bekommen wir eine einmalige Stadtbesichtigung, nachts, aus Elbperspektive!" freute sich Vincent. "Auf der Rückfahrt müsste es dann auch stockfinster sein, dann wirkt die Stadt noch besser!"
Es war wirklich ein schönes Erlebnis. Fritz stand lange an der Reling und ließ die Silhouette der beleuchteten Altstadt auf sich wirken. An den Wohnhäusern entlang des Flusses saßen die Menschen auf ihren Balkonen, alle winkten dem Dampfer zu, der immer mal laut tutete. Dazu die dramatischen Wolken, die Blitze, gerade ein heftiger Regenguss, Fritz entspannte sich. Vielleicht könnte er hier erst einmal Fuß fassen, für eine Weile. Mal sehen, wie es sich anließ.

Er straffte sich, rückte sich diskret den BH wieder gerade und schlenderte zum Tisch zurück. Dann suchte er sich sein Opfer. Seine Begleiter bemerkten, wie Fritzie Blickkontakt mit einem jungen Mann ein paar Tische weiter aufnahm und schamlos zu flirten begann.
"Er zieht das wirklich durch!" raunte Vincent dem Lord zu, Fritz blickte zu ihm hin und zwinkerte aufreizend. Mein Gott, wenn man nicht wüsste, wer hinter diesem aufgedonnerten Püppchen steckt... dachte Vincent amüsiert.
"Vincent, würdest du mir bitte eine Zigarette spendieren?" fragte Fritz gerade.
Dieser holte das Päckchen aus der Jackentasche. "Du rauchst?"
Fritz schüttelte leicht den Kopf. "Fritzie manchmal. Nein, danke, kein Feuer."
Dann erhob er sich und schwebte Richtung Schiffmitte davon, am Tisch seines Opfers vorbei. Vorn stellte er sich hin, nahm die Zigarette in den Mund und drehte sich um, den Blick schmachtend auf den Mann gerichtet. Dieser erhob sich und ging zu ihm, fahrig durchsuchte er seine Taschen und entzündete die Zigarette im Mund der hübschen Frau. Fritz nahm ihn am Arm und zog ihn weiter nach vorn, aus dem Sichtbereich, die Zigarette flog in den Aschebecher.
Der Lord kommentierte kopfschüttelnd: "Ein absolut stilvoller Genießer. Und das mit 16 Jahren! Was für ein Prachtkerl."
Der Mann kam zuerst zurück, dann sahen sie Fritz aus der Damentoilette kommen, die Lippen neu nachgezogen.
Als er sich wieder hingesetzt hatte, sagte er grinsend: "Und - den Lippenstift immer erst nach dem Essen wieder nachziehen. Sonst hat man viel zu putzen."
Ein gewaltiger Blitz zuckte quer über den Himmel, dann krachte der Donner. "Okay, ja, ich hatte versprochen, keine Fritzie mehr."
"Aber du genießt diese Rolle" merkte der Lord an.
"Es ist nur eine Rolle, damit ist Schluss. Ich muss jetzt endlich irgendwie vernünftig werden, wenn ich das packen will. Vielleicht gelingt es mir, hier ich selbst zu sein und ich brauche die Fritzie gar nicht mehr. Aber ... ich bin eben allein. Irgendwie muss ich mich selbst neu erfinden, ein Fritz ohne ... Diana. Ich weiß nicht, ob das geht."
Der Lord nahm Fritz in seine Arme und küsste ihn innig auf die Lippen. "Es geht, glaub mir."
Fritz blickte von unten in die unergründlichen klaren Augen und sagte dann: "Du hast jetzt Lippenstift am Mund."
Lachend nahm der Lord eine Serviette und reinigte sich.

Als sie wieder den Kahn verlassen hatten und am Elbufer entlang schlenderten, der Lord hatte wieder Fritz den Arm angeboten, knickte dieser noch einmal auf dem nassen Kopfsteinpflaster um.
"Scheiße, aua!" fluchte er sehr undamenhaft und riss sich die hohen Pumps von den Füßen. "Ach, die Blase ist jetzt aufgegangen. Mist."
Die Schuhe flogen im hohen Bogen in die Elbe, einer sank sofort, der andere trieb noch eine Weile auf dem Wasser, dann ging er ebenfalls unter. "Tschüß, Fritzie" sagte Fritz leise.
Wie bestellt prasselte plötzlich ein Regenschauer auf sie nieder. "Und jetzt verwischt es mir auch noch die Schminke. Lasst uns ins Hotel gehen, oder?"
Beide nickten, sie schritten jetzt zügig voran. Fritz platschte barfuss durch viele Pfützen, um seine schmerzenden Füße zu kühlen.
Im Hotel verschwand er erst einmal im Bad, dann kam Fritz wieder heraus, schwarze Jeans und T-Shirt, ungeschminkt, die Haare jetzt mit Mittelscheitel und aus dem Gesicht gestrichen.
"Nun, hat dir der Ausflug gefallen?" fragte der Lord.
Fritz nickte. "Ja, es tat gut. Danke. Waren Sie auch zufrieden, Mylord?"
"Fritz, nein, nicht mehr die formelle Anrede. Dies galt nicht nur für Fritzie. Ich habe dich jetzt so gut kennen gelernt, so viele Nuancen von dir, dass ich getrost sagen kann, du bist mir ein guter Freund. Privat einfach Georg, nur bei formellen Treffen bitte die standesgemäße Anrede."
Fritz nickte. "Danke, gut, in Ordnung."
Vincent konnte nur mit dem Kopf schütteln, wie Fritz die Adelsetikette verinnerlicht hatte. "Ich werde jetzt nach Hause fahren, ich bin müde und komplett nass. Ich hole euch morgen Nachmittag ab, wir werden dann den Lord zum Flughafen bringen und dann zeige ich dir die andere Elbseite, die Dresdner Neustadt, das Szeneviertel. Ich denke, das wird dir genauso gefallen. Bis morgen dann, danke für den wundervollen Abend!"

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